(Schluß-?)Plädoyer der Verteidigung

Ein Artikel aus de.talk.sex

von "Andy"


Lange habe ich überlegt, ob ich diesen Text schreiben soll. Das meiste, was mir wichtig ist, wurde hier in der einen oder anderen Form schon gesagt - und ignoriert oder, zum Teil böswillig, uminterpretiert. Vielleicht ist es trotzdem oder gerade deshalb wichtig, diese Gedanken noch einmal aus der Sicht eines Zoophilen zu ordnen. Natürlich kann ich dabei nicht für alle von uns sprechen, ich werde aber versuchen, das wiederzugeben, was ich selber erlebt und in vielen Gesprächen mit anderen Zoophilen erfahren habe.

Jede Gesellschaft basiert auf Solidarität. Leider ist es sehr viel einfacher, Solidarität gegen jemanden oder eine Gruppe zu aktivieren, als sie für eine Sache zu finden. In diesem Zusammenhang sind wir Zoophilen ein besonders dankbares Opfer: Wir haben keine Lobby, keine Fürsprecher, noch nicht einmal eine funktionierende Kommunikationsstruktur. Die meisten Menschen haben selbst keine zoophilen Tendenzen - oder finden ausreichend Möglichkeiten, sie sozialkonform zu sublimieren.

Kurz und gut: Zoophile zu hassen ist bequem und tut niemandem weh - außer den Zoophilen selbst natürlich. Da stört es auch wenig, daß wir zu den harmlosesten Randgruppen gehören, die man sich wohl vorstellen kann. Immerhin sind wir so unauffällig, daß ein Großteil der Menschen unsere Existenz noch nicht einmal wahrgenommen hat. Auf diese Weise erklären sich die extremen Reaktionen, die schon die kleinste, meist reaktive Artikulation unsererseits erzeugt. Regelmäßige Leser der entsprechenden Netzgruppen kennen sie ebenso wie die Redaktionen derjenigen Medien, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, ohne in das allgemeine Verdikt der totalen Verurteilung einzustimmen.

So bleibt Zoophilie eines der letzten Tabus unserer Gesellschaft - und eines der stärksten. Dankbar werden selbst die absurdesten Rationalisierungen dieser Ablehnung übernommen, ohne sie zu hinterfragen. Es ist daher kein Wunder, daß unsere Diskriminierung kleinster gemeinsamer Nenner der Selbstgerechten aller Couleur zu sein scheint: Wer nicht in den konservativen Tenor "Das ist gegen Gott/ Bibel/ Natur etc." einstimmt (was im übrigen genauso für die meisten, nicht unmittelbar der Fortpflanzung dienenden Sexualpraktiken gilt), kann sich immer noch - politisch korrekt - zum Anwalt der "mißbrauchten Kreatur" machen, wogegen sich die Tiere in der Tat nicht mehr wehren können.

Glücklicherweise hat sich, nicht nur in diesem Forum, die Meinung durchgesetzt, daß in der Sexualität alles erlaubt ist, was im gegenseitigen Einverständnis der Partner geschieht. Zoophilen wird jedoch grundsätzlich eine gegenteilige Haltung unterstellt. Sexuelle Kontakte mit Tieren sind ebenso vielfältig wie die Sexualität als solche: Es gibt Hetero-, Homo- und bisexuelle Zoophile, leider auch Zoosadisten. So wie jeder Heterosexuelle nicht als Frauenvergewaltiger oder Weiberficker bezeichnen lassen will, so wollen auch wir nicht über negative Randphänomene definiert werden, die wir selber verurteilen.

In dieser Diskussion wurde von unseren Gegnern praktisch allen anderen Formen der Sexualität normative Ideale wie absolute Gleichberechtigung und Partnerschaftlichkeit attestiert, während uns schon die Möglichkeit zu deren Wahrnehmung schlichtweg abgesprochen wird. Ich verzichte hier bewußt auch weitere Erklärungsversuche in dieser Richtung, zumal sie meistens als weitere Verdachtsmoment uminterpretiert wurden: "Wer leugnet, ist um so schuldiger."

Bedenkt man, in welchen Zusammenhängen diese und andere Taktiken populär waren, sollten unsere Opponenten eigentlich Angst vor sich selber bekommen. Ich hoffe sehr, daß die Gewaltphantasien, die unsere selbsternannten Ankläger und Richter auf uns projizieren, nicht Rückschlüsse auf ihre eigene Sexualität zulassen. Es ist dabei erschreckend, daß selbst Mitglieder von Randgruppen, die bis vor kurzem unter denselben perfiden Mechanismen zu leiden hatten, aktiv an dieser Diskriminierung teilnehmen, vielleicht um ihr Soll an geforderter Assimilierung überzuerfüllen. Ich weis, daß viele nicht glauben wollen, daß Zoophile ein partnerschaftliches Verhältnis zum Tier haben - mit oder auch ohne Sexualität. Auch und gerade diejenigen müssen ihre tiefe Entrüstung über diesen Mißbrauch aber an ihrem eigenen Verhältnis zum Tier messen lassen: Auch wenn sie die unangenehmeren Komponenten dieser Verwendung delegiert und verdrängt haben, lassen schließlich die meisten von ihnen zu ihren Vergnügen oder in ihrem Streben nach Luxus Tiere quälen und töten, sei es für Leder, Fleisch oder andere nicht unmittelbar zum Leben notwendige "Bedürfnisse".

Wenn ein Veganer Sex mit Tieren mißbilligt, so muß ich ihm moralische Stringenz zugestehen, auch wenn ich seine Meinung nicht teile. Jedem anderen, der ausschließlich diese den Tieren wohl am wenigsten schadende "Nutzung" verurteilt, dafür aber echte, gesellschaftlich ratifizierte

Gewalt gegen sie akzeptiert, kann ich bestenfalls als Heuchler bezeichnen.

Moralische Standards sollen gesellschaftliches Zusammenleben ermöglichen. Die Aufrechterhaltung von Tabus als soziale Stabilisationselemente ist dabei nicht zu unterschätzen. Trotzdem sollte dies in einer Gesellschaft, die sich selber als human und aufgeklärt bezeichnet, nicht auf Kosten von Randgruppen geschehen, die sich ausschließlich über ihre Hilflosigkeit, keinesfalls aber durch gesellschaftsschädigendes Verhalten dafür qualifizieren.

Noch einmal: Wir Zoophilen schaden niemandem, weder Mensch noch Tier. Wir wollen daher nichts anderes, als jeder Andere für sich selbstverständlich in Anspruch nimmt. Dazu gehört auch das Recht, unsere Sexualität partnerschaftlich und im Rahmen der geltenden Gesetze ausleben.

Wir wollen nicht missionieren, aber wir nehmen das Recht in Anspruch, zu kommunizieren - unter uns wie nach Außen, insbesondere dann, wenn über uns Vorurteile und Lügen verbreitet werden. Hierfür haben wir bisher nur wenige

Möglichkeiten. Dieses Forum, daß ausdrücklich zum Zweck der Diskussion von Sexualität geschaffen wurde, gehört dazu, sosehr es einige auch leugnen mögen.

Über die individuellen Motive unserer Gegner zu spekulieren, ist müßig, auch wenn ihr zum Teil manischer Eifer erschreckt. Wer uns mit nacktem Haß entgegentritt, ist wenigstens ehrlich. Schlimmer ist fast noch das verlogene Mitleid, mit dem man uns zu Therapiefällen erklären will, z.T. mit der perversen Argumentation, erst bewußt den Leidensdruck schaffen zu wollen, der uns zur Bekehrung zwingen soll.

Künstlich müssen unsere Leiden in der Tat nicht mehr erzeugt werden: Die meisten Zoophilen haben sich in eine innere Emigration begeben, wenden viel Energie für Lebenslügen und Doppelleben auf oder verzichten sogar aus Angst

vor Ächtung und Haß fast vollständig auf ein Sozialleben. Die daraus resultierenden psychischen Probleme sind jedoch nicht der Zoophilie immanent, sondern ausschließlich durch die gesellschaftliche Diskriminierung induziert. Es bedarf daher wirklich nicht mehr den verschärften Bemühungen einiger Küchenpsychologen, Prediger und selbsternannter Experten, die unter dem Deckmantel der Humanität Haß und Ausgrenzung predigen.

Ich bin selber in meiner Eigenschaft als Zoophiler physisch attackiert worden, mußte Angst um mein Leben und das meines Tieres haben: Mord- und Gewaltdrohungen habe ich dutzendweise erhalten. Mehrere meiner Freunde litten bereits unter Willkür von Strafverfolgungsbehörden, die im Grenzbereich und jenseits der Legalität ihren Haß gegen uns abreagierten - wohl wissend, daß sich die meisten von uns aus Angst kaum wehren werden und das "gesunde Volksempfinden" hinter ihnen steht.

Leider habe ich keine Hoffnung, daß sich an dieser Lage viel ändern wird - zu tief scheint der Haß zu sein, zu billig die daraus resultierende Selbstbestätigung. Vielleicht fragt sich der eine oder andere aber doch noch, ob die Befriedigung, die aus einer so schalen moralischen

Scheinüberlegenheit resultiert, die Teilnahme oder Billigung einer solchen Hexenjagd rechtfertigt - spätestens dann, wenn er selber zum nächsten zufälligen Opfer auf dem Altar der Selbstgerechtigkeit wird.

Zu wünschen ist es keinem.

"Andy"
 

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Klarstellung
von Andy
Aus der dts
23.1.1998