Von wegen, 250 Meilen süd-süd-östlich von den großen
Wasserfällen. Ich fliege nun schon seit 2 Stunden hier rum, aber von dem
Forscherteam konnte ich bis jetzt noch keine Spur entdecken.
Aber erst mal zu mir: Man nennt mich einfach nur Jack. Na
ja, manche sagen auch Bruchpilot, da ich mit einem altersschwachen Doppeldecker,
an dem kaum ein Teil noch Original ist, Touristen hier durch Afrika fliege und
Forscherteams mit allem Notwendigen versorge. Ich hatte den Auftrag bekommen,
ein 4-köpfiges Team von Wissenschaftlern, die das territoriale Verhalten von
Raubtieren dokumentieren sollten, mit Lebensmitteln zu versorgen.
Ich nahm meinen Feldstecher und suchte die Umgebung ab. Es
wurde in 2 Std. dunkel und ich wollte die Truppe vorher unbedingt finden, da ich
die Nacht nicht alleine verbringen wollte. Es gab ein komisches Geräusch, als
der rechte Bautenzug des Höhenruders sich verabschiedete. Ich konnte zwar die
Richtung halten, aber steigen war mir unmöglich.
Der Boden kam langsam aber stetig näher.
Etwa eine halbe Meile vor einem Gebirge berührte meine Mühle
den Boden, wo das Fahrwerk wegbrach und sich die Nase in den Sand bohrte.
Ich weiß nicht, wie lange ich ohnmächtig war. Es war
dunkel und der Schmerz in meinem rechten Bein machte mich fast wahnsinnig. Ich
lag etwa 20 Meter von meinem Flugzeug, oder das, was davon noch übrig war,
entfernt. Ich sah mir das Bein an, es war dick geschwollen. Da ich kein
Mediziner war, konnte ich nur vermuten, das es verstaucht oder gebrochen war.
Ich robbte mich zu den Trümmern, um irgend etwas zu finden, womit ich das Bein
schienen konnte. Ich nahm einige der Holzleisten, die einmal den Flügel
darstellten, sowie ein Seil, das als Verstrebung gedient hat, um es zu
stabilisieren. Erst jetzt durchsuchte ich die restlichen Trümmer, um vielleicht
noch irgendwelche Vorräte zu bergen. Es dauerte etwa 3 Stunden, einige
Lebensmittel, den Medizinkasten, sowie 2 Planen und einige Seile zu einer etwa
50 Meter entfernten Baumgruppe zu schaffen. Ich wollte mir später eine
provisorische Unterkunft bauen, um der Sonne nicht schutzlos ausgesetzt zu sein.
Erschöpft schlief ich ein.
Ich hatte einen Herrlichen Traum. Ich war 12 Jahre alt und
befand mich auf der Farm meiner Eltern. Wir hatten einige Katzen, von denen ich
eine besonders in mein Herz geschlossen hatte. Solange ich zurück denken
konnte, war sie bei mir. Sie schlief bei mir im Bett und begleitete mich auf
Schritt und Tritt. Ihr zartes Maunzen klingt mir jetzt noch in den Ohren.
Es war hell, als ich wieder erwachte. Es waren schöne
Erinnerungen, die durch diesen Traum wieder in mein Bewusstsein drangen.
Ich hörte schon wieder dieses zarte maunzen in meinen
Ohren.
Kann eine Erinnerung so nachklingen??
Erst langsam begriff ich, das dieses Geräusch aus meiner
Kindheit nicht aus meinem Unterbewusstsein kam, sondern Real war. Meine Augen
durchsuchten die nähere Umgebung, in der Hoffnung, den Verursacher des Geräusches
zu erblicken. Dann sah ich es: Es war ein Leopardenbaby, das sich in einem
Dornenbusch selber gefangen hatte.
Was sollte ich tun? Ich konnte davon ausgehen, dass die
Mutter in der Nähe war. Ich beschloss, erst einmal abzuwarten, ob sich das
Kleine selber befreien würde oder aber das Muttertier auftaucht, um ihm zu
helfen.
Nach 1 Stunde beschloss ich, nicht weiter tatenlos
zuzusehen, selbst auf die Gefahr hin, das mich das Muttertier dabei überraschen
könnte. Ich kroch rüber, um das Junge aus seiner misslichen Lage zu befreien.
Nach etwa 20 Minuten war es aus seiner Lage befreit. Oh man, wir sahen aus, als
hätten wir beide einen Ringkampf mit 'nem Rudel Löwen hinter uns: Es gab kaum
eine Stelle, die nicht zerkratzt war. Über meinen Zustand machte ich mir
weniger Sorgen, aber das Junge hatte einiges abbekommen. Ich nahm das Kleine und
schleppte mich zurück zu der Stelle, wo die Sachen lagen, die ich aus dem
Flieger hatte bergen können. Mit Hilfe des Verbandskastens versorgte ich seine
Wunden, so gut ich konnte.
Mich wunderte, das es nicht einmal zappelte dabei, oder
mich gebissen hat. Es kam mir vor, als wüsste es genau, das ich nur helfen
will. So, die Wunden waren versorgt, aber das wichtigste konnte ich dem Kleinen
nicht geben: MILCH! Es brauchte seine Mutter, damit es schnellstens gesäugt
wurde.
Ich hatte kaum daran gedacht, als ich hinter mir ein Geräusch
hörte.
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Ich saß auf einem Baum, der alleine in der Steppe stand.
In der Ferne konnte ich die Hügel erkennen, wo ich mein Junges zurück gelassen
hatte, um auf die Jagd zu gehen. Ich bräuchte endlich wieder Erfolg bei der
Jagd. Seit längerem hatte ich schon kein Tier mehr erlegt. Ich beobachtete eine
Herde Gazellen, die unweit meines Beobachtungspostens ästen.
Ich hatte Glück, die Herde näherte sich mir und ich
wartete, bis eines der Tiere in Reichweite war. Es gab kaum ein Geräusch, als
ich auf den Boden sprang und mich anschließend auf das ahnungslose Tier warf.
Die Herde geriet in Panik und rannte in allen Richtungen mit großen Sprüngen
davon. Aber die Gazelle, die ich überraschen konnte, hatte keine Chance mehr.
Mit einem Biß in den Hals tötete ich sie. Ich brach den Kadaver zwischen den
Hinterläufen auf und stillte erst mal den größten Hunger. Bevor jedoch andere
Raubtiere oder Aasfresser mir die Beute streitig machen konnten, schleppte ich
sie auf dem Baum und verkeilte den Kadaver in einer Astgabel.
Endlich wieder frisches Fleisch. Ich machte mich auf dem
Weg, um mein Junges zu holen, damit es auch etwas abbekam.
Ich suchte die Stelle auf, wo ich es zurück gelassen
hatte, konnte aber nichts von ihm entdecken. Ich konnte auch keine Witterung von
anderen Raubtieren aufnehmen, die meinen Nachwuchs vielleicht gefunden und getötet
hatten, wie sie es mit meinem ersten Wurf gemacht hatten. Ich war damals auch
auf die Jagd gegangen und ließ meine 2 Jungen alleine zurück. Als ich wieder
zurück kam, um sie zu hohlen und zur Beute zu führen, waren sie verschwunden.
Eine Hyäne hatte sie in ihrem Versteck entdeckt und getötet. Erst jetzt
bemerkte ich den Geruch, der mir der Wind in die Nase trug. Ich kannte diesen
Duft aus meiner Kindheit. Ich war damals von einem alten Mann gefunden und mit
der Flasche aufgezogen worden, da meine Mutter von Wilderern getötet und ihr
Fell als Souvenir verkauft worden war. Damals roch es genau so: NACH MENSCH
Ich folgte der Witterung und sah einen großen bunten Vogel
mit gebrochenen Flügeln, der in der Steppe, unweit des Hügels lag, wo ich mein
Junges zurück gelassen hatte. Ich schlich mich durch das Gestrüpp und
entdeckte einen Menschen, der gerade mit irgendwas beschäftigt zu sein schien:
MEIN JUNGES.
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Ich wagte es nicht, eine hastige Bewegung zu machen. Meine
Nackenhaare sträubten sich, als ich langsam meinen Kopf in die Richtung drehte,
aus der ich das Geräusch gehört hatte und zwischen den Büschen ein Augenpaar
entdeckte. "Oh Mann", dachte ich," warum kommst du immer wieder
in so scheiß Situationen"? Ich setzte das Junge ganz langsam auf den
Boden, wo es nach einem kurzen Maunzen der Mutter, in Richtung Büsche tapste.
Ich rechnete jeden Augenblick mit einem Angriff der Mutter, die Ihr Junges
verteidigen wollte, wobei ich wohl auf jeden Fall den kürzeren gezogen hätte.
Aber nichts dergleichen geschah. Als das Jungtier die Büsche erreicht hatte,
kam sie aus ihrer Deckung hervor, beschnupperte ihren Nachwuchs, schaute noch
einmal zu mir herüber und verschwand dann wieder im Dickicht.
Ein seltsames Verhalten, dachte ich. Jedes andere Raubtier
hätte mich ohne zu zögern angegriffen.
Aber es war trotzdem ein herrliches Tier. Ich weis nicht
warum, aber ich fühlte mich irgendwie zu Ihr hingezogen. Es dauerte gut 2
Stunden, um mir aus dem Zeug, was ich geborgen hatte, einen etwas wackligen
Unterstand zu bauen. Es war zwar kein Meisterwerk, aber es schützte vor der
Sonne. Ich aß noch etwas von den Vorräten, nahm was gegen die Schmerzen und
legte mich dann hin, um etwas zu schlafen. Ein lautes Lachen riß mich aus dem
Schlaf. Eine Hyäne schlich in einiger Entfernung um mein Lager herum. So ein
Mist, das ich noch nicht mal eine Waffe bei mir hatte. Ich suchte mir einen Knüppel,
um mich wenigstens etwas verteidigen zu können. Die Hyäne zog ihre Kreise
immer enger, und sie wurde immer mutiger. Als sie in Reichweite kam, holte ich
aus, um ihr einen Schlag zu verpassen. Doch sie wich aus und durch den Schwung
glitt mir der Knüppel aus der Hand und flog in hohem Bogen davon. Na das
wird’s dann wohl gewesen sein. Ich schloss mit meinem Leben ab.
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Mein Junges roch sehr merkwürdig und es hatte Wunden am
ganzen Körper. Ich legte mich auf die Seite um es zu säugen, wobei ich seine
Wunden leckte. Ich begriff, der Mensch hatte versucht, meinem Nachwuchs zu
helfen, wie mir der Mensch damals geholfen hatte. Nachdem es sich satt getrunken
hatte und wir beide ausgeruht wahren, machte ich mich auf den Weg zurück zu der
toten Gazelle, um noch etwas zu fressen. Ich schaute vorher nochmal bei dem
Menschen vorbei, um ihn etwas zu beobachten. In mir stieg Haß auf, als ich die
Hyäne sah, die um sein Lager schlich. Ich beobachtete seinen erfolglosen
Versuch, sie mit einem Stock zu vertreiben. Als die Hyäne nahe genug heran war,
setzte ich zum Sprung an und stürzte mich auf sie. Sie versuchte mir
auszuweichen und bekam dabei meinen rechten Hinterlauf zu fassen. Der Schmerz
war fürchterlich, aber ich bekam sie am Hals zu fassen und biß mit aller Kraft
zu, bis sie sich nicht mehr rührte. Ich ließ von ihr ab und wollte
verschwinden, knickte aber hinten immer wieder ein. Es war mir momentan fast unmöglich
zu laufen. Ich leckte mir die Wunde und bemerkte, wie der Mensch sich ganz
vorsichtig näherte. Ich knurrte leise, wohl eher instinktiv, aber ohne wirklich
drohen zu wollen. Ich war wohl genauso neugierig wie er.
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Ich bemerkte einen Schatten hinter mir und sah die
Leopardin, die sich mit einem mächtigen Satz auf die Hyäne stürzte. Doch das
Raubtier wich zur Seite aus, und verbiß sich in einen der Hinterläufe der
Leopardin. Nach etwa 2 Minuten war alles vorbei und die Hyäne lag tot im Gras.
Die Leopardin hatte eine Bißwunde, die stark blutete. Sie wollte sich abwenden
um zu verschwinden, knickte aber immer wieder ein. Sie legte sich unweit von mir
hin und fing an, sich den Hinterlauf zu lecken. Ich weis nicht warum, aber meine
Angst ihr gegenüber war weg. Ich beugte mich nach vorne und streckte ihr ganz
vorsichtig meine Hand entgegen. Sie hörte auf mit lecken, beobachtete mich nur
und ich hörte ein leises Knurren. Meine Hand war nur noch Zentimeter von ihren
messerscharfen Zähnen entfernt, doch sie biß nicht zu, sondern schnupperte
vorsichtig an meiner Hand. Ich erschrak, als sie anfing, meine Hand zu lecken.
Was war hier los? Ein Leopard, der mir gerade das Leben
gerettet hat, leckt mir die Hand!
Ganz vorsichtig und ohne eine schnelle Bewegung zu machen,
versuchte ich, ihren Hinterlauf zu untersuchen. Sie hatte Schmerzen, als ich sie
berührte, das konnte ich spüren, aber sie verhielt sich ganz ruhig, wie das
Junge, das ich zuvor behandelt hatte. Beruhigt stellte ich fest, das nichts
gebrochen war. Sie hatte Glück gehabt, denn eine Hyäne kann einen
Elefantenknochen mit einem Biß zermalmen. Ich reinigte die Wunde vorsichtig mit
etwas Alkohol, den Rest würde die Natur erledigen. Ich nahm etwas getrocknetes
Fleisch aus den Vorräten, die ich geborgen hatte und hielt es ihr hin. Sie
schnupperte vorsichtig daran und nahm es mir dann aus der Hand. Ich weiss nicht,
wie lange wir so da lagen. Ich streichelte ihr wunderschönes Fell und sie
schnurrte dabei laut. Mit einem Mal stand sie auf und humpelte in Richtung der Hügel,
wo ich ihr Junges vermutete.
In den nächsten 4 Tagen sah ich die Leopardin und ihr
Junges noch einige male. Es schien so, als hätte sie immer ein wachsames Auge
auf mich.
Am 5. Tag hörte ich ein Brummen, was schnell näher kam.
Ein Flugzeug, meine Rettung! Ich schaute wehmütig in die Steppe, konnte die
zwei aber nicht mehr entdecken.
Im Krankenhaus erzählte ich meinen Zimmergenossen, was ich
erlebt hatte, aber sie lächelten nur, und sagten, ich hätte wohl zu viel Sonne
abbekommen.
Es war mir egal, was sie dachten. Welcher Mensch kann von
sich behaupten, eine Leopardin hätte ihm das Leben gerettet?
Aber ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich eine
Leopardin gestreichelt hatte.
© Takvorian